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EU-Entwaldungsverordnung – Neue ESG-Compliance-Pflichten

Ende Juni 2023 ist die neue EU-Entwaldungsverordnung in Kraft getreten. Zum 30. Dezember 2024 entfaltet sie für die meisten erfassten Unternehmen Geltung, erweitert den Adressatenkreis sowie die erfassten Produkte und legt den Unternehmen neue Sorgfaltspflichten auf, deren Erfüllung es frühzeitig vorzubereiten gilt.

Neuerungen gegenüber bisheriger Rechtslage

Die Entwaldungsverordnung ist ein weiteres Beispiel für die vielfältige Tätigkeit des EU-Gesetzgebers im Rahmen des „Green Deal“, ohne dass die Konsequenzen für die Unternehmenspraxis allgemein bekannt sind. Schon der Rechtsvorgänger, die EU-Holzhandelsverordnung (EU-HolzhandelsVO), war laut einer Umfrage von 2018 nur 42% der 27.000 betroffenen Unternehmen bekannt, obwohl die Regelung aufgrund der Einbindung zahlreicher Unternehmen in internationale Wertschöpfungsketten eine hohe Praxisrelevanz hat. Viele Unternehmen – insbesondere solche, deren Hauptgeschäft nicht das Inverkehrbringen von Holz oder Holzerzeugnissen ist (z.B., weil sie nur Verpackungen aus Pappe zirkulieren) – wurden in der Vergangenheit von Kontrollen der zuständigen Behörde überrascht. Dieser Effekt könnte mit der Entwaldungsverordnung zukünftig noch mehr Unternehmen treffen.

Größere Zahl von Unternehmen betroffen

Die Entwaldungsverordnung erweitert den Adressatenkreis auf Unternehmen, die Rinder, Kakao, Kaffee, Kautschuk, Soja und Ölpalmen sowie deren Erzeugnisse (Derivate) wie bspw. Palmöl, Glycerin, Stearinsäure, Schokolade, Reifen oder Förderbänder in der EU in Verkehr bringen (Marktteilnehmer) oder auf dem Unionsmarkt bereitstellen (Händler). Eine vollständige Liste der betroffenen Produkte findet sich in Anhang I der Entwaldungsverordnung.

Entwaldungs- und schädigungsfreie Lieferketten als zentrales Kriterium

Im Unterschied zur geltenden Rechtslage, die sich vorrangig auf die Regulierung von Holz und Holzerzeugnissen fokussierte, will die neue Verordnung die weltweite Entwaldung eindämmen. 

Zentrales Kriterium ist nun die Entwaldungsfreiheit und darüber hinaus die Schädigungsfreiheit der Lieferketten: Nach der Entwaldungsverordnung müssen die Produkte auf Flächen erzeugt worden sein, die zum Stichtag 31. Dezember 2020 noch nicht entwaldet oder – noch weitgehender – noch nicht geschädigt waren. Dies festzustellen kann für die betroffenen Unternehmen mit hohem Aufwand verbunden sein.

Risikosteuerung durch wirksames Compliance-Management

Um nachweisen zu können, dass die relevanten Erzeugnisse diesen Anforderungen entsprechen, müssen die Marktteilnehmer und bestimmte Händler eine Reihe von Sorgfaltspflichten erfüllen. Diese umfassen – wie bereits unter der EU-HolzhandelsVO – Pflichten zur Informationsgewinnung, Risikobewertung und Risikominimierung. Adressaten der Entwaldungsverordnung müssen daher zunächst eine Vielzahl von Informationen entlang der Lieferkette ihrer zu importierenden Erzeugnisse sammeln, unter anderem

  • die genaue Bezeichnung des Produkts,
  • Name und Kontaktdaten aller Unternehmen, Marktteilnehmer oder Händler, von denen sie mit den relevanten Erzeugnissen beliefert wurden, sowie
  • angemessene, schlüssige und überprüfbare Informationen darüber, dass die relevanten Erzeugnisse entwaldungsfrei sind.

Zum letzten – wohl aufwändigsten – Punkt sind teilweise amtliche Informationen oder Informationen von Nichtregierungsorganisationen (NGO) verfügbar. Eine Herausforderung wird aber die Bewertung bleiben, ob und wann z.B. ein Holzeinschlag illegal ist oder wie tatsächlich Entwaldung und Waldschädigung festgestellt werden kann.

Anhand dieser Informationen müssen die Marktteilnehmer und Händler eine Risikobewertung dahingehend durchführen, ob die relevanten Erzeugnisse aus illegaler Entwaldung stammen. Bei Vorliegen eines nicht vernachlässigbaren Risikos ist dieses z.B. durch besondere Zertifizierungsverfahren zu minimieren. Über die Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten hat der Marktteilnehmer vor Inverkehrbringen der relevanten Erzeugnisse eine Sorgfaltserklärung gegenüber der zuständigen Behörde abzugeben. Damit übernimmt der Markteilnehmer die Verantwortung für die Verordnungskonformität des Erzeugnisses. Wie der interne Compliance-Prozess im Detail ausgestaltet sein muss, ist nicht vorgegeben und liegt im Gestaltungsermessen des Unternehmens. Hier kommen zunehmend IT-Lösungen zum Einsatz, die auch Daten über die jeweiligen Waldflächen weltweit oder die konkrete Rechtslage vor Ort liefern können.

Frühzeitige Risikoprüfung und Maßnahmenplanung für jedes Unternehmen zu empfehlen

Die neue Entwaldungsverordnung trifft mit ihrer weiten Zielrichtung eine unbestimmte Zahl von Unternehmen. In einem ersten Schritt empfiehlt sich daher für jedes Unternehmen, die eigenen Lieferketten auf die in Anhang I der Entwaldungsverordnung genannten Rohstoffe und Erzeugnisse zu überprüfen. Soweit eine Überschneidung festgestellt wird, sollte schnellstmöglich mit dem Aufbau eines Compliance-Systems zur Sorgfaltspflichterfüllung begonnen werden. Unternehmen, die bereits ein Compliance-System zur EU-HolzhandelsVO implementiert haben, müssen dieses an die verschärften Anforderungen der Entwaldungsverordnung anpassen. Denn bereits nach geltendem Recht drohen bei Verstößen gegen die EU-Vorgaben empfindliche Strafen, die sich durch die Entwaldungsverordnung im kommenden Jahr möglicherweise noch verschärfen.

Autoren

Dr. André Lippert
Partner
Rechtsanwalt
Berlin
Martin Schulz
Prof. Dr. Martin Schulz, LL.M.
Counsel
Rechtsanwalt
Frankfurt

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