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Eigene KI-Sprachmodelle von Unternehmen

Spätestens seit der öffentlichen Verfügbarkeit mächtiger Sprachmodelle und ihrer für die meisten Menschen erstaunlichen Leistungsfähigkeit besteht wenig Zweifel, dass Unternehmen aller Branchen ihre Produktivität mit Künstlicher Intelligenz (KI) erheblich steigern können. Wie aber sieht der richtige Weg zur Implementierung aus? Geschäftsgeheimnis- und Datenschutz sprechen bei manchen Unternehmen gegen eine Nutzung kommerzieller Cloud-Anwendungen US-amerikanischer Anbieter. Eine Alternative können eigene KI-Modelle als interne Lösung sein, die z.B. von Drogeriemarktketten, Automobilzulieferern oder Kanzleien bereits eingesetzt werden, aber ebenfalls technische und rechtliche Herausforderungen bereithalten. Wir geben einen Überblick über Regelungen, die derzeit bestehen oder mit der Europäischen KI-Verordnung (KI-VO) auf KI-entwickelnde und -einsetzende Unternehmen zukommen.

Der risikobasierte Ansatz der KI-VO

Am 9. Dezember 2023 haben der Rat und das Parlament eine politische Einigung zur KI-VO erzielt, die klare Regeln zur Vermeidung von Diskriminierung, Überwachung und anderen potenziell schädlichen Auswirkungen insbesondere auf Grundrechte aufstellen soll.

Die KI-VO kategorisiert KI-Systeme nach Risikopotenzial. Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen treffen besonders umfangreiche Pflichten, deren Erfüllung einigen Verwaltungsaufwand und finanzielle Ressourcen erfordern wird. KI-Entwicklern ist in Data Governance Systemen genau vorzugeben, mit welchen Daten auf welche Weise trainiert werden darf. Dies empfiehlt sich unabhängig von der KI-VO: Verstößt ein KI-Modell gegen Rechte Dritter, trifft den Anbieter und mittelbar das entwickelnde Unternehmen eine Exkulpationspflicht. Der Vorschlag der Europäischen KI-Haftungsrichtlinie sieht hierfür teils sogar einen Anscheinsbeweis vor, der entkräftet werden müsste. Solche Vorgaben sind kritisch, da die KI-Entwicklung sehr kostspielig ist und sich Fehler in der Auswahl der Trainingsdaten durch den gesamten Trainingsprozess ziehen.

Von Datenqualität zu Datenschutz

Zum Training von KI werden in der Regel große Datenmengen ausgewertet, wobei neben der Datenqualität die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu gewährleisten ist. Wer auf eigene KI-Sprachmodelle setzt, verarbeitet sowohl beim Training als auch bei der späteren Nutzung regelmäßig personenbezogene Daten und muss als Verantwortlicher die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten. Lassen Daten Rückschlüsse auf natürliche Personen zu, ist technisch nicht ausgeschlossen, dass diese aus dem trainierten Modell gezogen werden können (z.B. durch sog. Inference Attacks). Aufgrund der strengen Anforderungen der DSGVO empfiehlt sich für das Training die ausschließliche Verwendung anonymisierter Daten.

Die DSGVO enthält zudem KI-spezifische Vorschriften: Automatisierte Entscheidungen i.S.d. Art. 22 Abs. 1 DSGVO, die gegenüber den Betroffenen rechtliche Wirkung entfalten oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigen, sind grundsätzlich untersagt. KI darf insbesondere Entscheidungen über Einstellungen, Beförderungen, Kündigungen oder Abmahnungen nicht final treffen, es sei denn, die automatisierte Entscheidung ist für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen Betroffenen und dem Verantwortlichen erforderlich oder das Unternehmen kann sich auf eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen berufen. Überdies gelten besondere Informations- und Auskunftspflichten zum Bestehen der automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling sowie zu aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik, Tragweite und angestrebten Auswirkungen für Betroffene. Zudem kann eine Datenschutz-Folgenabschätzung i.S.d. Art. 35 DSGVO erforderlich sein.

KI-Sprachmodelle im Unternehmen und arbeitsrechtliche Pflichten

Neben datenschutzrechtlichen Regeln müssen Arbeitgeber weitere Vorgaben beim Einsatz eigener KI-Sprachmodelle beachten. In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber diese aufgrund des Weisungsrechts einführen, was neben der Nutzung auch die konkreten Regeln betrifft, an die sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer halten müssen. In Betrieben mit Betriebsrat ist die Implementierung regelmäßig mitbestimmungspflichtig, wenn die KI Rückschlüsse auf Verhalten oder Leistung von einzelnen Beschäftigten ermöglicht, z.B. wer das Modell wann zur Erledigung welcher Aufgaben nutzt. Daneben hat der Betriebsrat KI-spezifische Beteiligungsrechte wie die Hinzuziehung eines KI-Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG), Unterrichtungs- und Beratungsrechte (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und das Zustimmungsrecht bei von der KI aufgestellten Auswahlrichtlinien (§ 95 Abs. 2a BetrVG). Schließlich sollten Arbeitgeber ethische Aspekte beachten.

Auswirkungen des Urheberrechts auf den Einsatz von KI-Sprachmodellen

Nutzer oder Auftraggeber haben oft nicht die von ihnen erwartete urheberrechtliche Stellung, weil die Ergebnisse einer KI, wie z.B. erzeugte Grafiken, mangels persönlicher geistiger Schöpfung eines Menschen in der Regel kein geschütztes Werk nach § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Das Training mit Inhalten Dritter könnte allerdings unter die Schranken der §§ 44b, 60d UrhG fallen. Die gesetzliche Widerspruchslösung und gewisse Speicherbeschränkungen verlangen Entwicklern erhöhte Sorgfalt ab. Die KI-VO enthielt in ihrem Entwurf aus dem Sommer 2023 abgesehen von den Offenlegungs- und Dokumentierungspflichten in Art. 28b Ziff. 4c) kaum Regelungen zu KI und Urheberrecht. Die Einhaltung des EU-Urheberrechts wird aber als eine der Leitplanken für Allzweck-KI-Systeme angesehen.

All dies zeigt: Unternehmen haben bei eigenen KI-Sprachmodellen eine Vielzahl rechtlicher Regelungen zu beachten. Aufgrund der hohen Sanktionen bei Verstößen gegen die KI-VO und des wirtschaftlichen Risikos von Trainingswiederholungen (wurde ein Modell mit „rechtswidrigen“ Daten trainiert, muss es ggf. vollständig neu trainiert werden) sowie der Exkulpationspflichten bei Rechtsverletzungen lohnt sich eine frühzeitige Vorbereitung auf die rechtlichen und technischen Herausforderungen.

Künstliche Intelligenz
Implikationen für Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

Autor:innen

Sebastian Cording
Dr. Sebastian Cording
Partner
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Informationstechnologierecht | Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Hamburg
Markus Kaulartz
Dr. Markus Kaulartz
Partner
Rechtsanwalt | Co-Head of the CMS Crypto, Digital Assets and FinTech International Focus Group
München
Inka Knappertsbusch
Dr. Inka Knappertsbusch, LL.M.
Counsel
Rechtsanwältin | Fachanwältin für Arbeitsrecht
Köln
06/12/2023
2024 - Themen, die Sie bewegen werden
Das Jahr 2023 hat die Welt in besonderem Maße bewegt. Die Zunahme regionaler Krisen und Kriege sowie eine instabile wirtschaftliche Lage haben uns allen viel abverlangt. In diesen herausfordernden Zeiten gilt es besonders, vorausschauend zu handeln und den Realitäten mit Augenmaß zu begegnen, um sich auch im Jahr 2024 erfolgreich behaupten zu können. Besonders hervorzuheben ist hierbei die zukünftige Ausrichtung unseres Handelns. Künstliche Intelligenz ist mittlerweile allgegenwärtig und stellt uns vor die Frage nach einem adäquaten und un­ter­neh­mer­freund­li­chen Rechtsrahmen. In Zeiten geopolitischer Spannungen wird Cybersicherheit mehr denn je essenzieller Bestandteil jeder Un­ter­neh­mens­stra­te­gie bleiben müssen, Datenschutz und ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Tech­no­lo­gie­nut­zung sind Schlüs­sel­fak­to­ren für geschäftlichen Erfolg. Themen wie die Umsetzung der globalen Min­dest­be­steue­rung in Deutschland und die Beschleunigung von Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren bei In­fra­struk­tur­pro­jek­ten werden Unternehmen auch im kommenden Jahr weiter be­schäf­ti­gen. Die­se Her­aus­for­de­run­gen sind zweifellos anspruchsvoll, bergen jedoch auch erhebliches Potenzial. Mut machen die Prognosen der Wirt­schafts­for­schen­den. So rechnet das DIW für das kommende Jahr wieder mit einem leichten Wirt­schafts­wachs­tum von 1,2 Prozent. Zeit also, verlorene Zuversicht wieder zu­rück­zu­ge­win­nen. Gerade in Zeiten globaler Her­aus­for­de­run­gen ist es von entscheidender Bedeutung, nicht nur wirtschaftliche Verantwortung zu tragen, sondern auch aktiv dazu beizutragen, den ge­sell­schaft­li­chen Zusammenhalt zu stärken und die Demokratie zu verteidigen. Gemeinsam spielen wir eine bedeutende Rolle als Sta­bi­li­täts­fak­to­ren in der Gesellschaft, indem wir soziale Verantwortung übernehmen und uns für eine gerechte und inklusive Entwicklung sowie den Schutz demokratischer Werte einsetzen. Zeit also, die Weichen zu stellen. Mit Mut und un­ter­neh­me­ri­scher Weitsicht. Im Jahr 2024 stehen wir Ihnen selbst­ver­ständ­lich mit unserer breiten Expertise zur Seite, um Sie aktiv bei der Bewältigung dieser umfassenden Her­aus­for­de­run­gen zu unterstützen. Einen Überblick über die wichtigsten Themen des kommenden Jahres haben wir wie gewohnt für Sie zu­sam­men­ge­stellt. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Ihnen die Chancen und Her­aus­for­de­run­gen anzugehen, und danken Ihnen einmal mehr für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Gemeinsam können wir viel erreichen – wirtschaftlich, rechtlich und ge­sell­schaft­lich.