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ESG in der Immobilienwirtschaft – quo vadis?

ESG-Faktoren und sich daraus ergebende gesetzliche Regelungen haben für die Immobilienwirtschaft erheblich an Bedeutung zugenommen. Denn sie wirken sich mittlerweile auf den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie – von Finanzierung und Planung über Realisierung, Bau und Nutzung bis hin zur Verwertung – aus.

Die Gefahr des Wertverlustes einer Immobilie bis hin zum sogenannten Stranded Asset aufgrund von nicht erfüllten Nachhaltigkeitskriterien beschäftigt daher sämtliche Akteure der Immobilienwirtschaft. Um dem vorzubeugen, gilt es, die gesetzgeberischen Anforderungen und weiteren Entwicklungen vorausschauend im Blick zu behalten und rechtzeitig aktiv zu werden.

Nachhaltigkeit bei Immobilien-Investitionen

Die europäische Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung enthalten die Verpflichtung, Nachhaltigkeitsziele, Kriterien für deren Erreichung und Informationen über die Zielerreichung offenzulegen. Ab dem 1. Januar 2023 finden die Technischen Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung Anwendung, die den konkreten Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen bestimmen. Die Taxonomie-Verordnung legt fest, wann eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Die Taxonomiekonformität einer Immobilie kann mithilfe der technischen Bewertungskriterien der delegierten Rechtsakte der Taxonomie-Verordnung bewertet werden. Selbst wenn sich die Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung zunächst nur an bestimmte Finanzmarktteilnehmer und Unternehmen richten, betreffen die durch sie normierten Pflichten bereits jetzt die gesamte Immobilienwirtschaft zumindest mittelbar: Immobilien, die diese Kriterien nicht einhalten, werden nur sehr schwer finanzierbar sein und zumindest auch dadurch mittel- bis langfristig weniger stark am Markt nachgefragt werden; dies dürfte sich negativ auf die Wertentwicklung auswirken.

Verschärfung von EU-Richtlinien für einen klimaneutralen Gebäudebestand 

Das europäische Klimagesetz hat die Verwirklichung des EU-Klimazieles, die Emissionen in der EU um mindestens 55 % (gegenüber Stand 1990) bis 2030 zu senken, gesetzlich verankert. Um dies und die Klimaneutralität der EU bis 2050 zu erreichen, steht im Rahmen des „Fit-for-55“-Pakets unter anderem die Aktualisierung und Verschärfung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden an.

Im Oktober 2022 hat der Rat eine Einigung auf strengere Vorschriften für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und die Überarbeitung der Richtlinie erzielt. Danach sollen bis spätestens 2030 alle neuen Gebäude Nullemissionsgebäude sein – für neue Gebäude, die sich in öffentlicher Hand befinden, gilt dies bis 2028. Bestandsgebäude sind bis 2050 zu Nullemissionsgebäuden umzubauen. 

Die Änderungsvorschläge müssen zwar noch im Europäischen Parlament verhandelt und nach einer europäischen Einigung national umgesetzt werden. Aber schon jetzt ist klar: Verschärfte Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien im Gebäudesektor werden kommen und sind bei Planung, Realisierung und Bau zu beachten. 

Nationale Regelungen für mehr Nachhaltigkeit im Gebäudesektor

Der Gebäudesektor verursacht laut Umweltbundesamt in Deutschland 35 % des Endenergieverbrauchs und etwa 30 % der CO2-Emissionen. Da im Jahr 2021 die nach dem Klimaschutzgesetz zulässigen Jahresemissionsmengen im Gebäudesektor um zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten wurden, haben das BMWK und BMWSB im Juli 2022 ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor vorgelegt. Im Zentrum der Klimaschutzmaßnahmen des Programms stehen unter anderem Änderungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die Reform der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG).

ESG ist mehr als nur „E“ 

ESG bedeutet für die Immobilienbranche nicht nur zu Klima- und Umweltzielen beizutragen, sondern hierbei auch soziale und unternehmensbezogene Aspekte zu berücksichtigen. Die Bereiche „Social“ und „Governance“ werden in diesem Kontext zunehmend gesetzgeberisch abgebildet. Für viele Unternehmen wird ab 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gelten und Anforderungen an unternehmerische Sorgfaltspflichten stellen. Auch die Berichtspflichten werden durch neue Reportingrichtlinien wie die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive [CSRD]) erweitert. Der vom Europäischen Parlament angenommene und vom Europäischen Rat gebilligte CSRD-Vorschlag, der die bisherige sogenannte CSR-Richtlinie ablöst, wird aller Voraussicht nach Anfang 2023 in Kraft treten. Damit werden nicht nur die Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöht, sondern auch deren Verbindlichkeit. Auf europäischer Ebene wird zudem weiterhin die Einführung einer „Sozialtaxonomie“ zur Definition sozialer Ziele und Verpflichtungen angestrebt. Um sich als Unternehmen in der Immobilienbranche zukunftsfähig auszurichten, ist daher die ganzheitliche Beachtung von Environmental-, Social- und Governance-Aspekten schon jetzt unerlässlich.

Fortlaufende gesetzgeberische Tätigkeit

Bereits jetzt steht fest, dass sowohl die EU als auch der nationale Gesetzgeber die bestehende Gesetzgebung noch weiter verschärfen werden. Soweit die jährlichen Ziele zur Erreichung von Net Zero in der Immobilienwirtschaft nicht eingehalten werden, wird der Gesetzgeber versuchen, dem mit neuen gesetzgeberischen Maßnahmen entgegenzusteuern. In den kommenden Jahren wird sich die Immobilienwirtschaft daher auf sich ständig ändernde Bedingungen einstellen müssen.

Article in english language

Autoren

Sebastian Orthmann
Dr. Sebastian Orthmann, EMBA (M&A)
Partner
Rechtsanwalt | Leiter Real Estate & Public, CMS Deutschland
Hamburg
Philipp Schönnenbeck
Philipp Schönnenbeck, LL.M.
Partner
Rechtsanwalt | Co-Head of the CMS Real Estate Group
Düsseldorf
Svenja Kasimir
Svenja Kasimir
Senior Associate
Rechtsanwältin
Hamburg
07/12/2022
2023 - Themen, die Sie bewegen werden
Das vergangene Jahr 2022 war in vielerlei Hinsicht eine Zeitenwende. Aufgrund des schrecklichen Krieges in der Ukraine rückten Themen in den Fokus, über die sich Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zuvor zu wenig Gedanken gemacht hatten, und fast alle Unternehmen mussten sich in vielen Punkten auf eine neue Realität einstellen. Wir sind jedoch nicht nur durch die multiplen Krisen in Wirtschaft und Gesellschaft – von Energie über Inflation bis hin zur Lie­fer­ket­ten­pro­ble­ma­tik – herausgefordert, sondern sehen die Unternehmenswelt seit geraumer Zeit auch einem Zuwachs an komplexer Regulatorik ausgesetzt, mit der Sie alle in der täglichen Arbeit umgehen müssen. Die Erfüllung dieser weiterhin steigenden Anforderungen ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Compliance, sondern auch angesichts nachhaltiger Wett­be­werbs­fä­hig­keit eine der zentralen Her­aus­for­de­run­gen für die deutsche und europäische Wirt­schaft. The­men wie der Weg zur Kli­ma­neu­tra­li­tät, neue Ge­schäfts­mo­del­le aufgrund der Digitalisierung und der Fach­kräf­te­man­gel werden die meisten Unternehmen auch im kommenden Jahr beschäftigen – zusammen mit den Her­aus­for­de­run­gen, welche die begonnene Teilentflechtung der globalen Abhängigkeiten mit sich bringt. Hier steckt aber auch Potenzial, das wir gemeinsam mit Ihnen, unseren Mandantinnen und Mandanten, heben können. Wir unterstützen Sie aktiv dabei, den bestehenden Rechtsrahmen zur bestmöglichen Gestaltung Ihres un­ter­neh­me­ri­schen Alltags zu nutzen und Ihre Innovationskraft zu erhalten.Über die voraussichtlich wichtigsten Themen des Jahres 2023 haben wir für Sie einen Überblick zu­sam­men­ge­stellt. Auch im kommenden Jahr bleiben wir an Ihrer Seite und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen!

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