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Verschärfung der Investitionskontrolle in Kraft getreten

09/12/2020

Weltweit nahm die Kontrolle ausländischer Beteiligungserwerbe in den vergangenen Jahren stetig zu. Dies wird in den Mitgliedstaaten der EU durch die Umsetzung der Verordnung (EU) 2019/452 (FDI-Screening Regulation) vorangetrieben. In Deutschland gab es seit Jahresbeginn bereits mehrere Verschärfungen des Investitionskontrollrechts. Einige Änderungen wurden auch durch die Corona-Krise befördert. Vor allem die im Juli in Kraft getretene Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) droht zu einem echten Stolperstein für Transaktionen zu werden. 

Vollzugsverbot: Durchsetzung mittels Strafandrohung

Die für die M&A-Praxis wichtigste Änderung ist die Einführung eines Vollzugsverbots für meldepflichtige Investitionen (§ 15 Abs. 4 AWG n. F.). Bei vorsätzlichem Verstoß droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, bei Fahrlässigkeit immerhin eine empfindliche Geldbuße. Verkäufer dürfen den Vertrag vor Freigabe durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) nicht vollziehen und dem Erwerber auch keine faktischen Möglichkeiten der Einflussnahme einräumen. Flankiert wird das Vollzugsverbot durch ein (allerdings sehr unscharf gefasstes) Verbot, dem Erwerber vor Freigabe sensible Informationen offenzulegen. Diese Regelung ist künftig auch im Rahmen einer Due Diligence zu berücksichtigen. 

Mehr Transaktionen werden meldepflichtig

Immer mehr Wirtschaftssektoren fallen unter die Meldepflicht und sind damit vom neuen Vollzugsverbot erfasst. Ursprünglich betraf dieses nur die Rüstungsindustrie, § 60 Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Mittlerweile sind auch Betreiber kritischer Infrastrukturen oder Medienunternehmen erfasst, seit Juni auch COVID-19-relevante Unternehmen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AWV). Zudem ist eine Ausweitung auf weitere Schlüsselsektoren absehbar, etwa die künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nanotechnologien und Biotechnologien.

Die Meldepflicht besteht bei dem Erwerb solcher Unternehmen, sobald dieser durch einen EU-fremden Investor erfolgt, der mittelbar oder unmittelbar mindestens 10 % der Stimmrechtsanteile erwirbt. Es reicht aus, wenn am Käufer ein EU-fremder Investor direkt oder über weitere Zwischengesellschaften mit mindestens 10 % der Stimmrechte beteiligt ist.

Gesenkter Untersagungsstandard = mehr Erwerbsbeschränkungen?

Das BMWi geht infolge der Gesetzesänderungen davon aus, nunmehr in weniger kritischen Fällen eingreifen zu dürfen. Außerdem werden auch Interessen anderer EU-Mitgliedstaaten in die Bewertung einbezogen (§§ 4, 5 AWG n. F.). Es bleibt abzuwarten, wie sich das in der Praxis auswirkt. Jedenfalls kann die Investitionskontrolle jetzt noch glaubhafter mit Untersagungen drohen und Investoren so zu Zugeständnissen bewegen, wenn Freigaben mittels Sicherungsvereinbarungen nur unter Bedingungen erteilt werden. 

Mehr Planungssicherheit durch neue Fristenregelung

Die Verfahrensfristen wurden umfassend neu gestaltet (§ 14 a AWG n. F.). Für das Vorverfahren gilt nunmehr eine Frist von zwei Monaten. Bei Eröffnung des eigentlichen Prüfverfahrens kommen vier Monate hinzu, in komplexen Fällen ist eine Verlängerung auf bis zu acht Monate möglich. Weitere Verzögerungen durch Verhandlungen oder Informationsanfragen sind nicht auszuschließen. Immerhin hemmen nun aber Informationsanfragen den Fristenlauf nur noch und lassen die Fristen nicht jeweils neu beginnen. So oder so droht also eine lange Hängepartie zwischen Signing und Closing.

Blick voraus

Die Bundesregierung arbeitet an weiteren Änderungen der AWV. Diese sollten eigentlich mit der FDI-Screening Regulation am 11. Oktober 2020 in Kraft treten. Welche weiteren Industriebereiche einer Meldepflicht unterworfen werden sollen, wird aber weiterhin intensiv diskutiert. Wann genau die Änderungen der AWV letztlich kommen, ist daher noch offen.

Praxistipp

Die Auswirkungen der Neuregelungen auf ausländische Investoren sind offensichtlich. Aber auch die Verkäufer von Unternehmen müssen die Auswirkungen der Neuregelung für einen Verkaufsprozess berücksichtigen. Dies erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Eigentümerstrukturen der Bieter. In kritischen Fällen muss ein Veräußerer zudem genau prüfen, welche Informationen im Rahmen der Due Diligence offengelegt werden können. 

Auch wenn die meisten Transaktionen letztlich nicht untersagt werden, zeigt die Praxis schon jetzt, dass das BMWi Fristen immer wieder voll ausschöpft und teilweise formelle Prüfverfahren schon deshalb eröffnen muss, weil die notwendigen Abstimmungen innerhalb der Vorprüfungsfrist nicht abgeschlossen werden können. Sie können damit den Vollzug der Transaktion erheblich verzögern. Bieter, die kein AWV-Verfahren durchlaufen müssen, werden also künftig einen erheblichen Vorteil bezüglich der Transaktionssicherheit und Schnelligkeit haben.


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