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Update Commercial 04/2024

April 2024

Die europäische Legislaturperiode neigt sich ihrem Ende entgegen und zahlreiche Gesetzgebungsvorhaben befinden sich ebenfalls auf der Zielgeraden. Das Europäische Parlament hat unter anderem ganz aktuell in seiner letzten Plenartagung den doch noch gefundenen Kompromiss zur EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bestätigt. 

Auch die Reform der Produkthaftungsrichtlinie steht kurz vor dem Abschluss. Parallel hat der EuGH ein wichtiges Urteil zur Zugänglichkeit von harmonisierten technischen Normen gefällt. Über diese und weitere spannende Themen aus den Bereichen Product Compliance, Produkthaftung und Produktsicherheit wird es auch bei der 

2. F.A.Z. Konferenz Produkthaftung und Produktsicherheit am 3. und 4. September 2024 im F.A.Z. Tower, Frankfurt am Main gehen.

Hierzu laden wir Sie herzlich ein. 

Themen der Veranstaltung sind unter anderem

  • Die Herausforderungen durch die neue Produkthaftungsrichtlinie
  • Die Auswirkungen der neuen KI-Verordnung und die Bedeutung von KI-Compliance
  • Green Deal und Greenwashing – wie können Unternehmen verantwortungsbewusst agieren?
  • Neue Entwicklungen der Produkt Compliance und wichtige Aspekte bei der Vertragsgestaltung
  • Anforderungen an die Cybersecurity in einer sich ständig verändernden Welt
  • Update zur Produktsicherheitsverordnung – nur noch drei Monate bis zur Geltung.

Zur Anmeldung

Darüber hinaus informieren wir Sie in unserem Update über eine Entscheidung des BGH zu Vertragsstrafenklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und aktuelle Auswirkungen der erweiterten Russland-Sanktionen auf bestimmte Exportverträge. 

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre. 


Inhalt

Im Folgenden finden Sie die Themen des Newsletters.

Aktuelle Rechtsprechung

EuGH bejaht öffentlichen Zugang zu harmonisierten technischen Normen 
5%-Grenze in AGB-Vertragsstrafenklausel muss sich auf tatsächlich zu zahlende Vergütung beziehen
Bundeskartellamt verhängt – wieder einmal – Geldbuße wegen vertikaler Preisbindung
Bearbeitungspauschale muss im Onlinehandel nicht in den Gesamtpreis eingerechnet werden 

Gesetzgebung und Trends

EU-Parlament verabschiedet Lieferkettenrichtlinie
Neue Produkthaftungsrichtlinie final vom Parlament bestätigt
„No re-export to Russia“-Klausel für bestimmte Exportgeschäfte ab sofort verpflichtend
Neuer internationaler CMS Expert Guide „Price Increases in Commercial Contracts“ 

Bei Interesse können Sie das Update Commercial hier abonnieren..


Aktuelle Rechtsprechung

EuGH bejaht öffentlichen Zugang zu harmonisierten technischen Normen 

(EuGH, Urteil v. 5. März 2023 - C‑588/21 P)

  • Europäische harmonisierte technische Normen über die Sicherheit von Spielzeug sind nach einer Entscheidung des EuGH Teil des Unionsrechts und müssen für EU-Bürger kostenfrei zugänglich sein. 
  • Zwei gemeinnützige Organisationen rund um den amerikanischen Internetaktivisten Carl Malamud hatten bei der EU-Kommission beantragt, ihnen kostenlosen Zugang zu harmonisierten technischen Normen über die Sicherheit von Spielzeugwaren zu gewähren. Die Kommission hatte dies unter Berufung auf das Urheberrecht der Normgeber verweigert, was 2021 vom EuG auch zunächst bestätigt worden war. Im Rechtsmittelverfahren stellte der EuGH jedoch fest, dass an der Verbreitung der streitgegenständlichen harmonisierten Normen über die Sicherheit von Spielzeug ein das Urheberrecht der Verfasser überwiegendes öffentliches Interesse bestehe. 
  • Laut EuGH handelt es sich bei den streitgegenständlichen Normen über die Sicherheit von Spielzeug um Teile des Unionsrechts. Eine Unionsvorschrift könne nämlich solchen Normen Rechtswirkungen verleihen, wenn z.B. für Erzeugnisse, die diese Normen beachten, die Vermutung besteht, dass sie die gesetzlichen Standards einhalten und in der EU vermarktet werden dürfen. 
  • Da die harmonisierten Normen so Rechte und Pflichten der betroffenen Personen näher bestimmen, können die Bürgerinnen und Bürger nach Auffassung des EuGH darauf angewiesen sein, vom Inhalt dieser Normen Kenntnis zu nehmen, um prüfen zu können, ob bestimmte Produkte oder Dienstleistungen die darin gestellten Anforderungen erfüllen. 

Praxistipp: Die sog. „Malamud-Entscheidung“ des EuGH bezieht sich formal nur auf die vier im konkreten Fall streitgegenständlichen Normen über die Sicherheit von Spielzeug. Die Argumentation lässt sich aber auf alle harmonisierten Normen übertragen, für die Unionsvorschriften vorsehen, dass bei ihrer Einhaltung die Konformität mit wesentlichen Anforderungen des Unionsrechts vermutet wird. Entgegen der primären Forderung der klagenden Organisationen hat der EuGH einen urheberrechtlichen Schutz harmonisierter Normen grundsätzlich anerkannt, jedoch ein die wirtschaftlichen Interessen der Urheber überwiegendes öffentliches Interesse an der Zugänglichmachung solcher Normen bejaht, bei deren Einhaltung das Unionsrecht eine Konformitätsvermutung aufstellt. Zu der Frage, wie das bislang etablierte privatwirtschaftlich finanzierte Normungssystem unter diesen Voraussetzungen weiter bestehen kann, wird sich nun der europäische Gesetzgeber verhalten müssen. Die EU-Kommission hat bereits im Herbst 2023 eine Initiative zur Überprüfung der Verordnung zur europäischen Normung (VO (EU) Nr. 1025/2012) gestartet, die den Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen der Europäischen Kommission, den EU-Ländern und dem Europäischen Parlament zu den europäischen Normungsorganisationen bildet und die Kriterien und Bedingungen für das Funktionieren des Europäischen Normungssystems festlegt. Es ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen der Malamud-Entscheidung in die Überprüfung mit einfließen werden.

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5%-Grenze in AGB-Vertragsstrafenklausel muss sich auf tatsächlich zu zahlende Vergütung beziehen

(BGH, Urteil v. 15. Februar 2024 - VII ZR 42/22)

  • Nach der Rechtsprechung des BGH zu Bauverträgen, die teilweise auch auf andere Vertragstypen übertragen wird, sind in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltene Vertragsstrafenklauseln unwirksam, die für eine Vertragsstrafe bei Überschreiten des Fertigstellungstermins eine Höchstgrenze von mehr als 5% der Auftragssumme vorsehen. Im Februar 2024 hat der BGH nun für einen sog. Einheitspreisvertrag klargestellt, dass sich diese Höchstgrenze auf die tatsächlich zu zahlende Vergütung beziehen muss. 
  • Stelle die Vertragsstrafenklausel hingegen auf die „im Auftragsschreiben genannte Vertragssumme“ ab, sei jedenfalls bei einem Einheitspreisvertrag, bei dem die Mengen und Massen nach dem (späteren) tatsächlichen Verbrauch berechnet werden, nicht sichergestellt, dass die Vertragsstrafe die zulässige Höchstgrenze von 5% der tatsächlich zu zahlenden Vergütung nicht überschreitet. Hierin liege eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers, da dieser durch einen Verlust von über 5% der Vergütungssumme in vielen Fällen nicht nur seinen Gewinn verliere, sondern einen spürbaren Verlust erleide. 
  • Die mit der Vertragsstrafe regelmäßig verfolgte Druckfunktion erlaube zwar durchaus eine spürbare Vertragsstrafe, es müsse aber darauf geachtet werden, dass die Vertragsstrafe in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn steht, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Gemessen daran sei eine Vertragsstrafe von über 5% der Auftragssumme zu hoch, da der Auftragnehmer typischerweise durch den Verlust von mehr als 5% seines Vergütungsanspruchs unangemessen belastet werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die damit verbundene Privilegierung des Auftraggebers innerhalb der Regelung nicht anderweitig ausgeglichen werde oder keine Vorkehrungen enthalte, durch die der Gefahr einer Überschreitung der für die Vertragsstrafe maßgeblichen Grenze angemessen Rechnung getragen wird.
  • In dem Umstand, dass im Zeitpunkt der Beauftragung die endgültige Abrechnungssumme noch nicht feststehe, sah der BGH – anders als noch das Berufungsgericht – auch keine Gefahr einer unklaren Regelung. Den Parteien sei bei Vereinbarung eines Prozentsatzes im Gegensatz zu einem festen Betrag klar, dass die Höhe der Vertragsstrafe kein feststehender Betrag sei. Bestehe Streit darüber, welche Vergütung der Auftragnehmer zu Recht beanspruchen kann, müsse dies gegebenenfalls gerichtlich geklärt werden.

Praxistipp: Die Entscheidung des BGH bezieht sich auf einen ausdrücklich als Einheitspreisvertrag geschlossenen Bauvertrag. Da die für Bauverträge entwickelte 5%-Grenze für Vertragsstrafenklauseln in AGB aber teilweise auch für andere (Liefer-)Verträge herangezogen wird, kann sie sich unter Umständen auch für diese Vertragstypen auswirken. Insbesondere bei Verträgen, bei denen typischerweise – wie beim Einheitspreisvertrag – die Höhe der für die Leistung tatsächlich zu zahlenden Vergütung zum Zeitpunkt der Beauftragung noch nicht feststeht, empfiehlt es sich, bei Verwendung einer prozentualen Vertragsstrafenregelung darauf zu achten, dass diese als Bezugsgröße auf die tatsächlich zu zahlenden Beträge abstellt. 

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Bundeskartellamt verhängt – wieder einmal – Geldbuße wegen vertikaler Preisbindung

(Entscheidung des Bundeskartellamts v. 19. Februar 2024 – B10-21/21; Pressemitteilung v. 13. März 2024)

Das Bundeskartellamt hat gegen ein mittelständisches Unternehmen aus Österreich eine Geldbuße in Höhe von EUR 783.300,00 wegen vertikaler Preisbindung verhängt. Das Unternehmen vertreibt über Fachhändler in Deutschland hochwertige und hochpreisige Funktions- und Schutzkleidung (Hosen, Jacken, Schals und Schutzschuhe sowie Helme nebst Zubehör). Im Einzelnen ist folgendes praktiziert worden:

  • Das österreichische Unternehmen war sich mit den Fachhändlern einig, dass die Wiederverkaufspreise möglichst nicht unter der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) liegen sollten. 
  • Von monetären Rabatten sollte grundsätzlich abgesehen werden; stattdessen sollte bei Sonderaktionen beim Kauf eines hochpreisigen Produkts ein kleines günstiges Produkt als Naturalrabatt dazu gegeben werden. Das galt für die Ladengeschäfte ebenso wie für den Online-Verkauf.
  • Stellten Händler fest, dass andere Händler erheblich von den UVP abwichen, beschwerten sie sich bei dem Lieferanten, der bei den Preisabweichlern entsprechend intervenierte, aber auch selbst Überprüfungen der Verkaufspreise der Händler durchführte. 
  • Bei wiederholtem „Preisdumping“ wurden Sanktionen wie eine Liefersperre oder Lieferverzögerungen verhängt.

Praxistipp: Wie zumeist bebußte das Bundeskartellamt auch in diesem Verfahren nicht die Fachhändler, obschon diese an den Kartellverstößen teilweise durchaus mitwirkten. In diesem Zusammenhang ist auch berichtenswert, dass das Verfahren durch den Kooperationsantrag – also eine Anzeige – eines Fachhändlers ausgelöst wurde. Beides zeigt, dass das Bußgeldrisiko in derartigen Konstellationen weitestgehend den liefernden Hersteller trifft. Die Händler, die zuweilen die Lieferanten dazu drängen, auf einer Einhaltung des Wiederverkaufspreisniveaus hinzuwirken, sitzen also durchaus nicht in einem Boot mit dem Lieferanten.

Zur Aufklärung des Kartellverstoßes hat das Bundeskartellamt – soweit ersichtlich erstmalig – von dem mit der 10. GWB-Novelle neu eingeführten § 82b GWB Gebrauch gemacht und einen Auskunftsbeschluss im Ordnungswidrigkeitenverfahren erlassen. Dem Bundeskartellamt ist es damit erlaubt, Informationen und Beweismittel von Unternehmen ohne Durchsuchung einzufordern. Die Adressaten sind verpflichtet, die in dem Auskunftsbeschluss gestellten Fragen nach Tatsachen bis zur Grenze eines Geständnisses korrekt zu beantworten und alle angeforderten Dokumente zu übermitteln. Das mag sich rechtsstaatlich seltsam anhören, ist aber geltendes Recht.

Die Zustellung des Auskunftsbeschlusses erfolgte mit Unterstützung der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde. Da das Unternehmen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (Settlement) zustimmte, kam es hier nicht darauf an, ob und wie das Bundeskartellamt den Bußgeldbescheid außerhalb seiner Grenzen hätte zustellen und u.U. vollstrecken können. Das Bundeskartellamt fügt sich damit in die Praxis anderer nationaler (etwa Schweizer) Kartellbehörden ein, über die Landesgrenzen hinaus auch ausländische Unternehmen nach inländischem Kartellrecht zu bebußen. 


Bearbeitungspauschale muss im Onlinehandel nicht in den Gesamtpreis eingerechnet werden 

(OLG Celle, Urteil v. 30. Januar 2024 – 13 U 36/23

  • Das OLG Celle hat entschieden, dass eine Bearbeitungspauschale in Form eines „Kleinstmengenaufschlags“, die von einem Onlinehändler für den Fall verlangt wird, dass der Gesamtbestellwert eine bestimmte Höhe nicht erreicht, nicht in den nach der Preisangabenverordnung (PAngV) verpflichtend anzugebenden Gesamtpreis für die einzelnen angebotenen Waren anzugeben ist. Das LG Hannover hatte dies in der ersten Instanz noch anders gesehen und die Bearbeitungspauschale als dem Verkäufer zuzurechnende Kosten eingestuft, die in die Preiskalkulation mit einzubeziehen seien. 
  • Der nach der PAngV anzugebende Gesamtpreis muss – entsprechend der zur europäischen Richtlinie über Preisangaben entwickelten Grundsätze – alle unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises enthalten, die obligatorisch von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu tragen sind und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden. Das OLG Celle sah dies bei einer Bearbeitungspauschale für Kleinbestellungen nicht als gegeben an, da das Anfallen dieser Pauschale vom Bestellvolumen abhänge und somit weder für die Verbraucherinnen und Verbraucher unvermeidbar noch für den Verkäufer zum Zeitpunkt der Preisangabe vorhersehbar sei. 
  • Die Erhebung eines Bearbeitungszuschlags bei Kleinbestellungen zur Deckung des mit jeder Bearbeitung einer Bestellung verbundenen Grundaufwands sei eine nachvollziehbare kaufmännische Entscheidung. Bei den dafür anfallenden Kosten handele es sich um neben den für die Waren geforderten Preisen zusätzlich anfallende „sonstige Kosten“, die nach der PAngV – wie auch Fracht-, Liefer- oder Versandkosten – gesondert auszuweisen seien. Insbesondere aufgrund der im Versandhandel vielfach von Anbietern verlangten Versandkosten seien Verbraucherinnen und Verbraucher es gewohnt, im Fernabsatz bei einem Preisvergleich nicht nur auf den Preis der einzelnen Waren abzustellen, sondern die gesamten Kosten der Bestellung in den Blick zu nehmen. Hieran ändere sich im Grundsatz nichts durch eine verlangte Bearbeitungspauschale, sofern diese ordnungsgemäß ausgewiesen werde. 
  • Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das OLG Celle hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Frage die Revision zugelassen. Diese ist derzeit beim BGH anhängig (Az. II ZR 18/24). 

Praxistipp: Die Rechtsauffassung des OLG Celle überzeugt inhaltlich, so dass eine Bestätigung durch den BGH wünschenswert wäre. Da im konkreten Fall der „Kleinstmengenaufschlag“ nur für Bestellungen unter einem bestimmten Gesamtbestellwert gefordert wurde, konnte das OLG Celle die Frage offenlassen, wie die Situation zu beurteilen wäre, wenn ein Onlinehändler für jedem Bestellvorgang eine feste Kostenpauschale verlangt. Dem Urteil ist jedoch zu entnehmen, dass das OLG auch für diesen Fall eine getrennte Ausweisung für zulässig hält. Ob sich der BGH – über den konkreten Fall hinaus – auch zu dieser Frage äußern wird, bleibt abzuwarten. 

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Gesetzgebung & Trends

EU-Parlament verabschiedet Lieferkettenrichtlinie

(Pressemitteilung des Europäischen Parlaments v. 24. April 2024)

Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ist nun beschlossene Sache. Das Parlament hat den Kompromissvorschlag der Vertreter der Mitgliedstaaten vom 15. März 2024 gebilligt. Anders als üblich hatten die Mitgliedstaaten die im Trilog erzielte Einigung vom 13. Dezember 2023 (wir berichteten in unserem Blog) nicht akzeptiert und eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen, um die Unternehmen zu entlasten. Besonders bedeutsam ist dabei die Anhebung der Schwellen für die Zahl der Beschäftigten und den Umsatz. Dadurch fallen rund 70% weniger EU-Unternehmen unter die Richtlinie als zuletzt vorgesehen. Wir fassen die wesentlichen Inhalte und Merkmale der CSDDD zusammen:

  • Anzuwenden ist die Richtlinie auf Unternehmen in der EU mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 450 Mio. Darüber hinaus gilt sie für EU-Unternehmen, die Franchising-/Lizenzverträge in der Union abgeschlossen haben, wenn sich die Lizenzgebühren auf mehr als EUR 22,5 Mio. und der weltweite Umsatz sich auf mehr als EUR 80 Mio. belaufen. Zusätzlich wird die Obergesellschaft (Konzernspitze) erfasst, wenn sie in der EU sitzt und der Konzern eine der beiden zuvor genannten kombinierten Schwellen überschreitet. Auch Unternehmen außerhalb der EU fallen unter die CSDDD, und zwar nach den Regeln für EU-Unternehmen, jedoch mit zwei Ausnahmen: Auf die Anzahl der Beschäftigten kommt es nicht an, und an die Stelle des weltweiten Umsatzes tritt der Umsatz in der Union. 
  • Ähnlich wie nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) müssen die Unternehmen nach der CSDDD eine Reihe von Sorgfaltspflichten erfüllen, um tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt bei sich und in ihren Lieferketten zu verhindern, zu beenden oder zu minimieren. Das Spektrum der Sorgfaltspflichten entspricht dem des LkSG. 
  • Zu den Sorgfaltspflichten gehört die Pflicht, jedes Jahr einen Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu veröffentlichen. Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlichen oder davon befreit sind, brauchen keinen separaten Bericht nach der CSDDD zu erstellen. Eine solche Ausnahme ist auch für Berichte nach dem LkSG geplant, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf zur Umsetzung der CSRD hervorgeht (wir berichteten im Update Commercial 02/2024).
  • Der deutsche Gesetzgeber wird das LkSG aufgrund der Richtlinie dennoch in vielerlei Hinsicht ändern müssen: Das betrifft beispielsweise den Kreis der sorgfaltspflichtigen Unternehmen (siehe oben), die Erweiterung des Katalogs der Menschenrechte und Umweltbelange, die Einführung einer zivilrechtlichen Haftung, die Erhöhung des maximalen Bußgelds auf mindestens 5% des weltweiten Jahresumsatzes, die Veröffentlichung von Behördenentscheidungen über Sanktionen einschließlich Bußgeldern (Naming and Shaming) und den Schutz von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) vor zu hohen Anforderungen ihrer Kunden. Außerdem wird es den Fokus auf die unmittelbaren Zulieferer künftig nicht mehr geben; vielmehr hat das sorgfaltspflichtige Unternehmen stets auch mittelbare Zulieferer in den Blick zu nehmen, darf sich dabei aber im Rahmen der risikobasierten Herangehensweise von vornherein auf die problematischen Bereiche seiner Lieferketten konzentrieren. Darüber hinaus werden die Unternehmen in Zukunft verpflichtet sein, Betroffene in ihre Sorgfaltsmaßnahmen einzubeziehen. 
  • Nächster Schritt im Gesetzgebungsverfahren ist die Verabschiedung durch den Rat. Das ist reine Formsache, weil sich der Rat in seinem Schreiben an den Rechtsausschuss des Parlaments entsprechend verpflichtet hat. Es folgt die Verkündung im Amtsblatt der EU. Drei Wochen später tritt die Richtlinie in Kraft. Dann haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. Daran schließt sich eine einjährige Karenzzeit an. Anzuwenden sind die neuen Regeln von den Unternehmen – nach Größe gestaffelt – ab Mitte 2027, 2028 bzw. 2029. 

Praxistipp: Auch wenn deutlich weniger Unternehmen als bislang geplant unter die CSDDD fallen, wird sie mittelbar erhebliche Auswirkungen auf andere Unternehmen haben. Denn wie nach dem LkSG sind die sorgfaltspflichtigen Unternehmen gehalten, ihre Zulieferer durch vertragliche Vereinbarungen auf bestimmte Standards zu verpflichten. Aus der Sicht deutscher Unternehmen hat die Richtlinie Vor- und Nachteile: Einerseits werden künftig auch die ausländischen Wettbewerber der LkSG-pflichtigen Unternehmen zur Sorgfalt in Lieferketten verpflichtet sein (Level Playing Field). Andererseits drohen insbesondere verschärfte Konsequenzen für Verstöße. LkSG-pflichtige Unternehmen sollten sich insbesondere darauf vorbereiten, mittelbare Zulieferer in ihre regelmäßige Risikoanalyse aufzunehmen und Betroffene in die Sorgfaltsprozesse einzubeziehen. 

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 Neue Produkthaftungsrichtlinie final vom Parlament bestätigt

(Pressemitteilung des Europäischen Parlaments v. 12. März 2024)

Das Europäische Parlament hat am 12. März 2024 die Überarbeitung der fast 40 Jahre alten Produkthaftungsrichtlinie final angenommen. Die neue Produkthaftungsrichtline enthält einige grundlegende Änderungen, von denen wir die wichtigsten hier vorstellen: 

  • Software wird erstmals ausdrücklich als Produkt gelten. Anders als noch im ursprünglichen Kommissionsentwurf vorgesehen (wir berichteten im Update Commercial 10/2022), soll nach dem finalen Text kostenfreie open-source Software allerdings vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. 
  • Die Kriterien für die Beurteilung, ob ein Produkt fehlerhaft ist, werden erweitert. Beispielsweise sind hierfür künftig auch KI- und Cybersicherheits-Aspekte sowie verstärkt auch produktsicherheitsrechtliche Anforderungen zu berücksichtigen. Zudem kommt es für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit nicht mehr allein auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Produkte an, sondern auch auf die Frage, wie lange der Hersteller die Kontrolle über das Produkt behält, was vor allem im Zusammenhang mit Updates von digitalen Elementen durchaus relevant sein kann. 
  • Der Kreis der Haftungsadressaten vergrößert sich ebenfalls: Neben Herstellern, sog. „Quasi-Herstellern“, Importeuren und deren Bevollmächtigten können nach den neuen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen auch Fulfillment-Dienstleister, Plattformbetreiber und in Ausnahmefällen auch Händler in Anspruch genommen werden. Wer ein Produkt wesentlich verändert (z.B. im Rahmen einer Wiederaufbereitung), gilt ebenfalls als Hersteller – mit den entsprechenden Pflichten. 
  • Der derzeit noch geltende Selbstbehalt von EUR 500,00 bei Sachschäden und bestehende Haftungshöchstgrenzen (in Deutschland aktuell EUR 85 Mio. bei Personenschäden) werden gestrichen. Zudem kann auch der Verlust von privat genutzten Daten künftig einen Schadenersatzanspruch begründen. 
  • Im Hinblick auf die prozessuale Durchsetzung von Produkthaftungsansprüchen müssen sich Unternehmen auf erweiterte Beweiserleichterungen zugunsten der geschädigten Personen einstellen. Die gravierendste Änderung in diesem Bereich ist die Einführung einer Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln in bestimmten Fällen, ähnlich der aus den USA bekannten „Discovery“. 
  • Der endgültige Richtlinientext muss noch vom Rat der EU förmlich angenommen werden. Erfahrungsgemäß ist hier nicht mehr mit inhaltlichen Änderungen zu rechnen. Anschließend wird die neue Produkthaftungsrichtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. Sie ist dann innerhalb einer Übergangsfrist von zwei Jahren (statt wie ursprünglich vorgesehen nur 12 Monaten) von den Mitgliedstaaten umzusetzen und gilt nach deren Ablauf für Produkte, die ab diesem Zeitpunkt in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden. Für ältere Produkte bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar.

Praxistipp: In Anbetracht der teils erheblichen Ausweitungen der verschuldensunabhängigen Produkthaftung empfiehlt es sich für alle betroffenen Unternehmen, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen, um sich rechtzeitig vor deren Geltungsbeginn auf die neuen Haftungsrisiken einstellen zu können. Insbesondere im Hinblick auf die neuen Beweiserleichterungen und die kommende Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln sollte die bisherige Dokumentationspraxis im Unternehmen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. 

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„No re-export to Russia“-Klausel für bestimmte Exportgeschäfte ab sofort verpflichtend

Unternehmen müssen vor allem bei Exportgeschäften auch die Russland-Sanktionen im Blick haben und etwaige Umgehungsversuche ihrer Kunden möglichst unterbinden. Das ist seit längerem bekannt. Neu ist aber, dass seit dem 20. März 2024 Unternehmen bei Verkauf, Ausfuhr und Verbringung bestimmter Güter gesetzlich dazu verpflichtet sind, in ihren Verträgen Re-Exporte nach Russland oder zur Verwendung in Russland explizit zu verbieten. Einzelheiten erfahren Sie in unserem Blogbeitrag Verpflichtung zu „No Russia“-Klausel in Lieferverträgen. Einzelheiten erfahren Sie in unserem Blogbeitrag Verpflichtung zu „No Russia“-Klausel in Lieferverträgen

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Neuer internationaler CMS Expert Guide „Price Increases in Commercial Contracts“ 

In den letzten Jahren haben eine Reihe von Faktoren zu einem erhöhten Kostendruck bei Unternehmen geführt. Dies wirft immer wieder die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen in bestehenden Verträgen Preise angepasst werden können. 

Vor diesem Hintergrund hat unser Commercial-Team den CMS Expert Guide on Price Increases in Commercial Contracts erstellt, der kompakt und übersichtlich die Rechtslage zu Preisanpassungen in 23 Jurisdiktionen darstellt. 

Erfahren Sie darin unter anderem, unter welchen Voraussetzungen Lieferanten Preise in bestehenden B2B-Verträgen ohne Preisanpassungsklausen erhöhen können und welche Formen von Preisanpassungsklauseln in den jeweiligen Jurisdiktionen zulässig und üblich sind. 

Vertiefend zur Rechtslage in Deutschland empfehlen wir Ihnen auch noch einmal unsere Blogbeiträge Inflation in Lieferkette – Möglichkeiten und Grenzen einer Preisanpassung in bestehenden Rahmenvereinbarungen und Inflation in der Lieferkette – Rettung durch Preisanpassungsklauseln?

CMS Expert Guide on Price Increases in Commercial Contracts
Businesses continue to face significant cost pressures and many are having...

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Lars Eckhoff, LL.M. (Victoria University of Wellington)
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