Home / Veröffentlichungen / MoPeG: neues Anfechtungsrecht auch für Altbeschl...

MoPeG: neues Anfechtungsrecht auch für Altbeschlüsse?

Update Gesellschaftsrecht 04/2024

April 2024

Das MoPeG stellt das Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften auf ein neues Fundament und sieht erstmals Regelungen zur Beschlussanfechtung vor. Die neuen Regelungen gelten indes nur für Beschlüsse, die nach dem 1. Januar 2024 gefasst wurden. Für Altbeschlüsse gilt weiterhin die alte Rechtslage.  

Am 1. Januar 2024 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG) in Kraft getreten. Das MoPeG verfolgt das Ziel, die geltenden gesetzlichen Vorschriften an die praktischen Bedürfnisse von Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern anzupassen. Es soll u. a. Rechtssicherheit in Bezug auf die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen hergestellt werden. Hierzu wurden neue Regelungen für den Umgang mit fehlerhaften Beschlüssen eingeführt.

Fehlende Klagefrist führte zu Rechtsunsicherheiten 

Nach der bisherigen Rechtslage gab es keine gesetzlichen Regelungen für Beschlussmängelstreitigkeiten bei Personengesellschaften. Verstieß ein Beschluss gegen das Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag, hatte dies nach der Rechtsprechung dessen Nichtigkeit zur Folge. Die Nichtigkeit konnte von jedem Gesellschafter mit einer einfachen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht werden. Die Feststellungsklage ist nicht fristgebunden, sodass das Klagerecht eines Gesellschafters in zeitlicher Hinsicht nur durch das Institut der Verwirkung eingeschränkt war. Die Verwirkung des Klagerechtes trat dabei erst dann ein, wenn die Klage über einen längeren Zeitraum nicht erhoben wurde und besondere Umstände hinzutraten, die das Vertrauen der Mitgesellschafter rechtfertigten, dass der Beschluss nicht mehr angegriffen werde. Das damit vorausgesetzte kumulative Vorliegen eines Zeit- und eines Umstandsmomentes führte dazu, dass die Beschlussnichtigkeit zum Teil mehrere Jahre nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden konnte. Dies begründete eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Neues Beschlussmängelrecht beseitigt diese Rechtsunsicherheit 

Dieser Rechtsunsicherheit wirkt das MoPeG entgegen, indem erstmals ein Beschlussmängelrecht für Personengesellschaften im Handelsgesetzbuch (dort unter §§ 110 ff. HGB) verankert wurde. Im Grundsatz orientiert sich das Beschlussmängelrecht an dem bereits bestehenden aktienrechtlichen Anfechtungsmodell. Die entsprechenden Neuregelungen gelten unmittelbar für Personenhandelsgesellschaften (d. h. für die OHG und die KG) und bei entsprechender Bezugnahme im Gesellschaftsvertrag auch für die GbR sowie die PartG (sogenannte „Opt-in“-Klausel).

Im Gegensatz zu der bisherigen Rechtslage wird im neuen Beschlussmängelrecht zwischen nichtigen (von vornherein unwirksamen) und anfechtbaren (für unwirksam zu erklärenden) Beschlüssen unterschieden. Ein Mangel führt nur ausnahmsweise und erst dann zur Nichtigkeit eines Beschlusses, wenn er besonders schwerwiegend ist (§ 110 Abs. 2 HGB). In diesen Fällen kann der Beschluss weiterhin – wie nach bisheriger Rechtslage – ohne Berücksichtigung einer Frist geltend gemacht werden. Im Regelfall führt ein Mangel allerdings nur noch zur Anfechtbarkeit des Beschlusses und muss im Wege einer gegen die Gesellschaft gerichteten Anfechtungsklage innerhalb einer bestimmten Frist angegriffen werden (§ 110 Abs. 1 HGB). Das Gesetz sieht hierfür eine Frist von drei Monaten vor, die indes gesellschaftsvertraglich angepasst werden kann (§ 112 Abs. 1 HGB).

Keine zeitlichen Übergangsregelungen

Eine zeitliche Übergangsregelung für das neue Anfechtungsmodell hat der Gesetzgeber nicht geschaffen. Es ergibt sich aus dem MoPeG somit nicht ausdrücklich, ob das Anfechtungsmodell auch auf Altbeschlüsse anwendbar ist, die bereits vor Inkrafttreten des MoPeG, d. h. vor dem 1. Januar 2024, gefasst wurden. Es stellt sich folglich die Frage, ob für alle Altbeschlüsse, die nach neuem Recht nur noch anfechtbar und nicht mehr nichtig wären, am 1. Januar 2024 die neue dreimonatige Anfechtungsfrist zu laufen begann und ob diese Altbeschlüsse nur noch mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können und mangels Klageerhebung ggf. bereits unanfechtbar geworden sind.

Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass eine vor Inkrafttreten des MoPeG erhobene Feststellungsklage, mit der ein – nach neuem Recht nur noch anfechtbarer – Beschluss angegriffen wird, nicht wegen Versäumnisses der neu eingeführten Klagefrist abgewiesen werden dürfe. Die allgemeine Feststellungsklage bleibe also die statthafte Klageart und sei ohne Klagefrist zulässig. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass dem geltend gemachten Beschlussmangel zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung die Fehlerfolge der Nichtigkeit anhafte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/27635, S. 228).

Nichts anderes kann jedoch für die Fälle gelten, in denen ein (mutmaßlich) nichtiger Beschluss vor dem 1. Januar 2024 gefasst wurde und bislang noch keine Feststellungsklage erhoben wurde. Nach der Gesetzesbegründung ist darauf abzustellen, ob dem Beschluss bereits vor dem 1. Januar 2024 die Nichtigkeitsfolge anhaftete. Damit kommt es lediglich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung, nicht aber auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Jeder Gesellschafter kann sich daher auf die Nichtigkeit eines vor dem 1. Januar 2024 gefassten Beschlusses berufen und in den Grenzen der Verwirkung jederzeit die allgemeine (Nichtigkeits-)Feststellungsklage erheben.

Für diese Auffassung sprechen auch die verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze des intertemporalen Rechts. Danach ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Für zurückliegende Sachverhalte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits verwirklicht waren, gilt hingegen die zu dem damaligen Zeitpunkt geltende Rechtslage. Daraus folgt, dass das mit dem MoPeG eingeführte Anfechtungsmodell nur für diejenigen Beschlüsse zeitlich anwendbar ist, die nach dem 1. Januar 2024 gefasst wurden. Für zurückliegende Altbeschlüsse gilt hingegen das bisherige Feststellungsmodell – und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Klageerhebung.

Folgen für die Praxis

Das MoPeG schafft Rechtssicherheit in Bezug auf die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die seit dem 1. Januar 2024 gefasst wurden. Keine Rechtssicherheit wurde indes im Hinblick auf die Wirksamkeit von Altbeschlüssen geschaffen. Es bleibt abzuwarten, ob der durch die Anfechtungsfrist für Neubeschlüsse eingeführte Bestandsschutz auch bei Altbeschlüssen auf das Zeit- und Umstandsmoment der Verwirkung ausstrahlt und die Rechtsprechung die Verwirkung der Nichtigkeitsklage gegen Altbeschlüsse künftig bereits nach kürzeren Zeiträumen annehmen wird. Aus anwaltlicher Vorsicht wird insoweit geraten, etwaige Mängel von Altbeschlüssen innerhalb von sechs Monaten seit der Beschlussfassung und Mängel von bereits weiter zurückliegenden Beschlüssen möglichst unverzüglich geltend zu machen.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gesellschaftsrecht, das Sie hier abonnieren können.

Autoren

Foto vonBenedikt Ovens
Benedikt Ovens, LL.M. (University of Edinburgh)
Associate
Düsseldorf
Foto vonChristoph Wagner
Christoph Wagner
Senior Associate
Düsseldorf